Energiewende ist gesamtgesellschaftliches Projekt
Im bundesweiten Vergleich bestehen erhebliche Unterschiede bei der Höhe der
Netzentgelte für Strom. In manchen Regionen sind die Strompreise bis zu 7
Cent/KWh teurer. Und die Unterschiede nehmen zu. Über die vergangenen Jahre
haben sich die Netzentgelte in Deutschland stetig auseinander entwickelt.
Die Gründe für diese Unterschiede sind vielfältig. Ein wesentlicher Treiber der
wachsenden Unterschiede sind die Übertragungsnetzentgelte. Diese sind nur ein
kleiner Teil der gesamten Netzentgelte – sie entwickeln sich aber recht drastisch
auseinander, da Integrations- und Transitkosten der Erneuerbaren Energien nicht
deutschlandweit von allen Kunden gleichermaßen getragen werden, sondern in den
betroffenen Regelzonen bzw. Netzgebieten verbleiben. Die Regelzonen mit einer
besonders hohen Einspeisung Erneuerbarer Energien werden systematisch
benachteiligt. Diese Entwicklung nimmt Ausmaße an, die für eine wirtschaftliche
Entwicklung im Norden und Osten Deutschlands einen erheblichen Nachteil bedeutet.
In einer Studie von Oktober 2015 hat die TU Dresden die regionalen Netzentgeltunterschiede und deren Entwicklung untersucht. Ein Industrieunternehmen in
Brandenburg (Industriekunde 24 GWh p.a.) beispielsweise bezahlt heute und in zehn
Jahren bis zu 84.000 Euro pro Jahr höhere Netzentgelte als ein Unternehmen im
Westen Deutschlands – für die gleiche Strommenge.
Von diesem Strompreis-Unterschied geht ein erheblicher Fehlanreiz aus: Neue
Stromverbraucher siedeln sich in solchen Netzgebieten an, wo der Anteil der
Erneuerbaren Energien und damit die Netzentgelte gering sind. Damit wächst
paradoxerweise die Notwendigkeit der Stromübertragung von Nord- nach
Süddeutschland. Heute besteht dieser Standort-Nachteil insbesondere zwischen
Regionen. Zukünftig werden die Netzentgeltunterschiede jedoch immer mehr
zwischen Stadt und Land auftreten. In Ballungszentren werden nur geringe Mengen
erneuerbare Energien installiert und es besteht in der Regel wenig Bedarf die
städtischen Netze bedeutend für die Integration erneuerbarer Energien auszubauen.
Daher ist die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte aus Sicht von
50Hertz unerlässlich als ein erster Schritt zur Verringerung der regionalen Strompreis-Unterschiede:
- Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, dessen Kosten nicht in
den Regionen am höchsten sein kann, in denen die meiste erneuerbare Energie
eingespeist wird – bisher ist das der Fall und wenn nicht gehandelt wird verschärft
sich die Situation weiter.
- Die Strom-Transportaufgabe ist eine gesamtdeutsche – denn der im Norden
erzeugte erneuerbare Strom muss in die Verbrauchszentren im Süden und Westen
Deutschlands gebracht werden – bisher tragen jedoch nur einzelne Regionen die
Kosten dafür.
- Die Mechanismen zur Vereinheitlichung – fachlich zur „bundesweiten Wälzung“ –
bestehen bereits für einzelne Netzentgeltbestandteile. Diese Mechanismen müssen
nur auf weitere Bestandteile erweitert werden. Die teure Erdverkabelung der großen
HGÜ-Leitungen beispielsweise wird von den ostdeutschen Verbrauchern bereits
mitgetragen, auch wenn diese Leitungen überwiegend in Westdeutschland errichtet
werden. Die Kosten für Engpassmanagement (Redispatch und
Einspeisemanagement) verbleiben aber bei den Verbrauchern im Norden und
werden nicht deutschlandweit umgelegt.
- Die Effizienzanreize für jeden der vier Übertragungsnetzbetreiber bleiben in vollem
Umfang bestehen, da alle Übertragungsnetzbetreiber als voll regulierte Monopole
ihre individuelle Erlösobergrenze behalten, die von der Bundesnetzagentur strikt
reguliert wird. Ein bundeseinheitliches Netzentgelt verletzt daher keine markt- oder
ordnungspolitischen Prinzipien.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Notwendigkeit der Schaffung
bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte früh erkannt und einheitliche
Übertragungsnetzentgelte als eine wesentliche Maßnahme u.a. im Weißbuch zum
Strommarkt 2015 vorgesehen. Auch der erste Entwurf des Ministeriums für ein
Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) enthielt eine Verordnungsermächtigung
zur Einführung eines einheitlichen, gerechten Übertragungsnetzentgeltes. Dass diese
Regelung im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Januar 2017 nicht mehr
enthalten ist, wurde vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 10. März 2017
kritisiert. Sollte die Grundlage für eine Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte
nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode geschaffen werden, drohen die
regionalen Strompreis-Unterschiede in den kommenden Jahren weiter zu wachsen.
Die Einführung bundeseinheitlicher Netzentgelte für Übertragungsnetze würde die
bestehenden Fehlanreize für große Industrieunternehmen weitgehend beheben. Die
durch die Vereinheitlichung entstehende Mehrbelastung für einzelne Verbraucher ist
zudem deutlich geringer als die Entlastung für die heute benachteiligten Stromkunden.
Die Studie der TU Dresden zeigt klar auf, dass die Einführung eines bundesweit
einheitlichen Netzentgeltes für das Übertragungsnetz bei mittelgroßen
Industriekunden mit einem Verbrauch von 24 Gigawattstunden (GWh) in 12 von 16
Bundesländern heute und in zehn Jahren zu Entlastungen führen würde. An der
Spitze stehen Industriekunden in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und
Sachsen mit einer Entlastung von mehr als 53.000 Euro pro Jahr (für das Jahr 2014).
Die Mehrbelastung von Industrieunternehmen in beispielsweise Nordrhein-Westfalen hätte 2014 lediglich rund 31.000 Euro pro Jahr betragen.
Stellungnahme als pdf-Datei