Ausgangslage
Das aktuelle deutsche Herkunftsnachweis-System erfüllt zwar die gesetzlichen Anforderungen, ist aber für die vollständige Zielerreichung der deutschen Energiewende nicht mehr ausreichend:
- Zeitliche und räumliche Entkopplung: Aktuell kann Strom bilanziell „grün“ sein, obwohl Erzeugung und Verbrauch zeitlich und räumlich nicht zusammenfallen. Herkunftsnachweise werden europaweit gehandelt, ohne physikalische Stromflüsse oder Netzrestriktionen zu berücksichtigen. So kann Strom an einem deutschen Dunkelflautenachmittag durch Zertifikate aus Sommerproduktion im Ausland als „grün“ gelten. Verbraucher wissen weder wann noch wo ihr Strom erzeugt wurde – Anreize für flexiblen an der aktuellen Erzeugung orientiertem Verbrauch fehlen.
- Fehlende Investitionsanreize: Der Import ausländischer, nicht-granularer HKN (z. B. aus Norwegen) führt zu Kapitalabfluss ohne zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland. Das System ist ineffizient, weil ökonomische Signale nicht mit physikalischen Realitäten verknüpft sind.
- Mangelnde Digitalisierung: Viele Prozesse im Herkunftsnachweisregister sind manuell und fehleranfällig. Eine Skalierung für granulare Systeme (z. B. viertelstündliche Nachweise) ist im aktuellen Setup nicht möglich.
Warum sind granulare Herkunftsnachweise wichtig für Deutschland?
Granulare Herkunftsnachweise bilden die Stromherkunft zeitlich (z. B. stündlich) und räumlich (z. B. regional) präzise ab. Sie können zu einem zentralen marktbasierten Koordinierungsinstrument der Energiewende werden. Anders als radikale Marktmechanismen (z. B. Gebotszonensplitting) erfordert ihre Einführung keine grundlegende Reform, sondern baut auf bestehenden Strukturen auf und schafft:
- Marktwirksame Investitionsanreize: Durch zeit- und ortsabhängige Preissignale entstehen Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien und flexiblen Verbrauch dort, wo sie systemisch den größten Nutzen bringen. Das fördert netzdienliches Verhalten und senkt langfristig Redispatch- und Netzausbaukosten.
- Effizienzsteigerung im Energiesystem: Granulare HKN koppeln ökonomische Signale an physikalische Realitäten. Das erhöht die Systemeffizienz und ermöglicht eine kostengünstigere und zielgerichtete Integration erneuerbarer Energien.
Was jetzt nötig ist
- Ein langfristiger Transformationspfad, der Planungssicherheit für Investitionen in netzdienliche Erzeugung und flexible Lasten und damit Vertrauen bei Industrie und Energieversorgern schafft. Zudem braucht es transparente Information für Verbraucher und Industrie, um Nachfrage zu schaffen und gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.
- Ein beschleunigter Smart-Meter-Rollout und eine konsequente Weiterentwicklung des Herkunftsnachweisregisters (HKNR) für hochaufgelöste Zeit- und Ortsdaten. Die Fehler des deutschen Smart-Meter-Rollout sollten bei granularen HKN-Systemen nicht wiederholt werden.