Für eine erfolgreiche Energiewende über alle Sektoren hinweg bedarf es eines integrierten Ansatzes, der das Gesamtsystem betrachtet und der die Grenzen dieser Sektoren überwindet. Eine solche ganzheitliche Sichtweise eröffnet einen Lösungsraum, der bei einer isoliert sektoralen Betrachtung verschlossen bleibt. So können energetische Potentiale und Flexibilitäten des einen Sektors in einem anderen nutzbar gemacht werden. 50Hertz versteht unter Sektorkopplung (in Anlehnung an die Definition des BDEW):
„die energietechnische und energiewirtschaftliche Verknüpfung von Strom, Wärme, Mobilität und industriellen Prozessen sowie ggf. deren Infrastrukturen mit dem Ziel einer Dekarbonisierung bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Energienutzung in Industrie, Haushalt, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen und Verkehr unter den Prämissen Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit.“
Mit Blick auf das energiewirtschaftliche Gesamtsystem muss betont werden, dass Sektorkopplung der zentrale Baustein unter vielen weiteren Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Energieversorgung ist. Der Einsatz von Sektorkopplungstechnologien ergänzt räumliches Flexibilitätspotenzial (durch Ausbau von Übertragungs- und Verteilnetzen). Daher wird der volkswirtschaftlich sinnvolle Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze durch Sektorkopplungstechnologien nicht in Frage gestellt. Voraussetzung ist, dass ein integriertes systemdienliches Verhalten forciert wird und keine Belastungen des Systems, nicht zuletzt Belastungen der Netze, infolge von z. B. auftretenden Gleichzeitigkeitseffekten, entstehen, sondern – im Gegenteil – diesen gezielt entgegengewirkt wird.
In ihrem Koalitionsvertrag betonen die Regierungsparteien die Rolle der Sektorkopplung für die Energiewende und verpflichten sich, „die Kopplung der Sektoren Wärme, Mobilität und Elektrizität in Verbindung mit Speichertechnologien voran[zu]bringen“. Während im Stromsektor die Erneuerbaren Energien bereits einen recht hohen Anteil haben, weisen die Sektoren Wärme und Verkehr deutlich geringere Anteile auf. Durch die Sektorenkopplung kann somit ein Beitrag zur Steigerung der Anteile Erneuerbarer Energien in allen Sektoren geleistet werden und dadurch die CO2-Reduktion auch in Wärmenetzen und im Verkehr voranbringen.
Verkehrswende:
Das Europäische Parlament und der Rat der EU-Staaten haben sich im Dezember 2018 auf neue CO2-Grenzwerte für PKW und leichte Nutzfahrzeuge ab dem Jahr 2030 geeinigt. Demnach müssen die CO2-Emissionen von Neuwagen dann um 37,5 Prozent (PKW) bzw. 31 Prozent (Nutzfahrzeuge) unter den bereits beschlossenen Emissionslimits von 2021 liegen. Hier kann die Elektrifizierung des Verkehrssektors einen wichtigen Beitrag leisten. Der Anteil strombasierter Lösungen beträgt in 2018 lediglich 1,5 Prozent. Durch die Elektrifizierung (im Falle einer batterieelektrischen Mobilität) würde auch die Energieeffizienz deutlich ansteigen.
Wärmewende:
Der Energiebedarf der Wärmeversorgung in Deutschland ist enorm und mehr als doppelt so hoch wie der Strombedarf. Der Wärmebedarf wird zum großen Teil durch fossile Energieträger gedeckt (ca. 75 %). Dadurch werden aktuell Emissionen in Höhe von insgesamt 275 Mio. t CO2 im Jahr verursacht. Sowohl im Bereich Raumwärme/ Warmwasser als auch im Bereich Prozesswärme sind erhebliche Anstrengungen zur Dekarbonisierung notwendig. Die Elektrifizierung bildet auch bei der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung einen wichtigen Baustein – allerdings werden die Möglichkeiten durch Einschränkungen im Gebäudebestand determiniert. Um die Klimaziele im Bereich der Haushaltswärme zu erreichen, kommen neben weiteren Technologien vor allem die Nutzung von elektrischen Wärmelösungen (Wärmepumpen) in Betracht. Durch die hohe Effizienz (Verhältnis Strom zu Wärme) bietet sich gerade bei gut isolierten Neubauten diese Art des Heizens an.
Power-to-X:
Eine weitere Möglichkeit der Sektorenkopplung ist die Nutzung von erneuerbarem (Überschuss-) Strom zur Erzeugung von Wärme (= Power-to-Heat) oder Gas (= Power-to-Gas):
So werden durch die Novellierung des § 13.6a des EnWG KWK-Anlagen mit komplementären Power-to-Heat-Anlagen in Höhe von insgesamt zwei Gigawatt gefördert werden. Damit wird die Erzeugung von KWK-Anlagen flexibilisiert, ein weiterer Ausbau vor allem der Windkraft im Norden Deutschlands unterstützt, sowie die Kosten für teure Redispatch-Maßnahmen reduziert und die dringend benötigte Wärmewende vorangebracht.
Auch Power-to-Gas wird eine zentrale Rolle für eine umfassende Dekarbonisierung spielen. Bei einer Kostendegression der dafür notwendigen Elektrolyseur-Technologie (Umwandlung Strom in Wasserstoff) kann eine Nutzung von Überschussstrom in Deutschland in der zweiten Hälfte der Energiewende (je nach Kostendegression ab ca. 2030) einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gesamtenergiesystems leisten. Synthetisches Gas kann dann in den Fällen eingesetzt werden, in denen elektrische Lösungen nicht zu Verfügung stehen bzw. zu teuer sind (bspw. ausgewählte Industrieprozesse). Um die Entwicklung der PtG-Technologie zu fördern, hatte das Bundeswirtschaftsministerium den Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ ins Leben gerufen bei dem 50Hertz im Rahmen des HYPOS Konsortiums ebenfalls teilnimmt.