Preisspitzen. Im Winter 2024 kam es auf dem Day-Ahead-Markt zu außergewöhnlich hohen Großhandelspreisen; am 12. Dezember wurde mit 936 €/MWh ein höherer Preis als in der Gaskrise verzeichnet. Vor dem Hintergrund der politischen und öffentlichen Diskussion untersucht diese Kurzstudie, ob die beobachteten Preisspitzen auf Kapazitätsknappheit oder potenziellen Marktmachtmissbrauch zurückzuführen sind – und welche Rückschlüsse sich daraus für die Ausgestaltung eines Kapazitätsmarktes ergeben.
Definition. Auf Grundlage eines konservativ parametrisierten Merit-Order-Ansatzes definieren wir Preisspitzen als Stunden, in denen der Day-Ahead-Preis die Kosten einer offenen Gasturbine inklusive Anfahrtskosten übersteigt. Im Zeitraum von 2015 bis 2024 treten lediglich 31 solcher Stunden auf, allesamt in den Jahren 2023 und 2024. Sie entstehen ausschließlich in Situationen sehr geringer Wind- und PV-Einspeisung bei gleichzeitig hoher Residuallast.
Kraftwerkseinsatz. Die anlagenscharfe Auswertung zeigt, dass ein großer Teil der fossilen Kraftwerks- und Pumpspeicherleistung während der Preisspitzen hoch ausgelastet war. Für den überwiegenden Anteil der Anlagen, die nicht oder nicht voll produzierten, finden sich plausible technische oder betriebliche Gründe, darunter Reservebindungen, kurz- und langfristige Nichtverfügbarkeiten sowie industrielle Einschränkungen. Lediglich rund 6 GW Kapazität bleiben ohne klare Erklärung. Insgesamt deutet das Muster stärker auf tatsächliche Angebotsknappheit als auf systematische strategische Mengenzurückhaltung hin.
Knappheitspreise. Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die Preisspitzen des Winters 2023/24 ökonomisch als Knappheitspreise zu interpretieren sind, in denen selten laufende Spitzenlastkraftwerke Deckungsbeiträge oberhalb ihrer variablen Kosten erzielen. In vergleichbaren Angebots- und Nachfragesituationen ist daher mit erneuten Preisspitzen zu rechnen.
Kapazitätsmarkt. Die Preisspitzen machen deutlich, dass die tatsächlich verfügbare Erzeugungsleistung erheblich unter der installierten Nennleistung gemäß öffentlich verfügbarer Datenquellen (Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur) liegt, vermutlich aufgrund von Alterung, Wartungen oder technischen Störungen. Eine belastbare Bewertung gesicherter Kapazität erfordert deswegen eine konsistente und aktuelle Datengrundlage zu installierter Leistung und tatsächlicher Verfügbarkeit. Die während der Preisspitzen beobachteten Kapazitätsfaktoren – rund 75 % für Gas- und Braunkohle, etwa 50 % für Steinkohle und nur 30 % für Pumpspeicher – unterstreichen, dass konventionelle Anlagen im Kapazitätsmarkt mit realistischen, teils deutlich höheren De-Rating-Faktoren berücksichtigt werden müssen
Link zur StudieNeon - Preisspitzen am Strommarkt Bericht